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Mit 360 Grad zum Erfolg

pt Interview anlässlich des 20-jährigen Jubiläums / Im Gespräch mit Jessica Berner Egen und Christian Egen

Die moderne Physiotherapie braucht eine fundierte Diagnostik. Dafür gibt es mittlerweile zahlreiche Möglichkeiten. Grundsätzlich ist es sehr wichtig, dass verschiedene Bereiche abgedeckt werden und die integrierten Systeme wissenschaftlich evaluiert sind. Jessica Berner Egen und Christian Egen leisten in diesem Bereich nun seit 20 Jahren Entwicklungsarbeit.

Bild: LIU ZISHAN / SHUTTERSTOCK.COM

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Frage: Die Firmengeschichte begann im Jahr 2002 mit der Gründung der SportMed AG. Wie kam es dazu und was waren wichtige Meilensteine?

Christian Egen (CE): Die ursprüngliche Idee war ein Konzept zur inhaltlichen Zusammenarbeit von Ärzten, Therapeuten und gesundheitsorientierten Einrichtungen. Mit diesem digitalen Ansatz waren wir im Jahr 2002 allerdings viel zu früh dran. Von den ursprünglichen Partnern war ich derjenige, der für die technische Entwicklung verantwortlich war. Dies wirtschaftlich erfolgreich auszurichten war eine Herausforderung. Wir haben im Prinzip zehn Jahre lang an der technischen Entwicklung zur Anbindung von Messgeräten und von Softwarelösungen im medizinnahen Bereich gearbeitet. Dabei haben wir vor allem auch die Kunden beziehungsweise Patienten im Blick gehabt, die einen Bedarf an guter Erklärung haben. Wir hatten also auch immer eine didaktische Perspektive. Wir haben anfangs Software entwickelt, die in andere Produkte einfloss – teilweise solche, die auch heute noch mit uns verbunden sind. In den ersten zehn Jahren unserer Firmengeschichte sind wir also erst einmal technische Experten für diesen besonderen Bereich der Messtechnik geworden.

Jessica Berner Egen: Schon 2003 waren wir Partner von Idiag in der Entwicklung der „MediMouse“ und sind auch heute noch eng mit dem Unternehmen verbunden. 2009 haben wir uns entschieden, das erste Eigenprodukt auf den Markt zu bringen. 2012 war es so weit und wir haben unsere eigene muskuläre Beweglichkeitsanalyse, mobee® fit, vorgestellt. Das war auf der FIBO in Essen. Ein Jahr später folgte die medizinische beziehungsweise therapeutische Variante dieser Messmethode, mobee® med.

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Christian Egen: Ein weiterer wichtiger Schritt war die Schaffung einer Software-Plattform für unsere eigenen Produkte, um die Nutzung und Integration der verschiedenen Verfahren zu optimieren – die Bedeutung dessen haben wir allerdings erst viel später richtig verstanden. Wir sind der Meinung, dass Modularität und die Einbindung vieler Systeme sehr wichtig sind. Und wir haben schon 2009 den Blick auf die Adressaten verändert. Anfangs hatten wir die Auswertungen und die damit verbundenen Erklärungen auf die Experten ausgerichtet. Die Therapeuten mussten diese Interpretationen dann an die Patienten beziehungsweise Kunden weitergeben. Von dieser Perspektive haben wir uns verabschiedet und den Endverbraucher in den Fokus der weiteren Entwicklungen gestellt. Die didaktischen Empfänger der Auswertungen sind daher nun seit vielen Jahren die Patienten oder Kunden. Das ist die Zielgruppe, deren Compliance über eine ansprechende und vor allem verständliche Darstellung der Ergebnisse erhöht werden soll.

Frage: Seit 2015 gibt es nun Ihre Plattform für digitale Diagnostik zur Prävention und Gesundheitsförderung. Was war und ist Ihnen bei der Entwicklung wichtig?

Jessica Berner Egen: Die Idee war schon 2009 in unseren Köpfen, aber bei zwei Produkten konnten wir noch nicht von einer Plattform sprechen. Daher haben wir das Jahr 2015 mit der Integration des dritten Produkts (BackScan) als Geburtsstunde der Plattform definiert. Wir wollten weg von Insellösungen und unter einem technologischen Dach mit den verschiedenen diagnostischen Möglichkeiten arbeiten können. Die Usability ist zunehmend wichtig – sie ist mittlerweile schon zu einer selbstverständlichen Anforderung geworden – und diesen Anspruch verfolgen wir bereits seit vielen Jahren. Von Anfang an war es unser Wunsch, eventuelle Einarbeitungshürden so gering wie möglich zu halten.

Sehr wichtig ist uns auch die Ganzheitlichkeit der Lösung. Wir können mittlerweile viele verschiedene Themenbereiche zusammen betrachten, und bekanntlich ist das Ganze mehr als die Summe der einzelnen Teile. Auf diese Verschmelzung wichtiger Analysebereiche wollen wir künftig auch noch mehr setzen. Insbesondere die Stress- und Resilienzdiagnostik lässt sich sehr gut mit der Bewegungs- und Körperanalyse verbinden.

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Wir bedienen viele Zielgruppen – neben den Therapeuten auch Fitnessstudios, Firmen (Stichwort Betriebliches Gesundheitsmanagement) sowie seit Neuerem auch Senioreneinrichtungen – und müssen daher Rücksicht auf verschiedene Anforderungen nehmen. Diese Heterogenität ist eine Herausforderung, der wir uns gerne täglich stellen.

Frage: Wer beziehungsweise welche Institutionen sind an wissenschaftlichen Projekten mit und zum System beteiligt?

Jessica Berner Egen: Aktuelle Kooperationen bestehen mit der Technischen Universität München, dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) in Kooperation mit dem Berufskolleg Halle, der Universität Göteborg, der TU Darmstadt und historisch auch mit der Universität der Bundeswehr München, da dort die Validierungsstudie für unsere Beweglichkeitsmessung durchgeführt wurde. Die meisten der wissenschaftlichen Projekte mit unseren Systemen sind im Profi- beziehungsweise ambitionierten Freizeitsport angesiedelt. Der Fokus in diesen Studien liegt häufig auf der Einschätzung von Verletzungsrisiken durch Beweglichkeitsdefizite et cetera. Darüber hinaus sind auch unsere Partnerfirmen mit ihren jeweiligen Produkten an verschiedenen Studien beteiligt.

DFB Projekt 2019/ Berufskolleg Halle

Christian Egen: Bei Sportlern ist es ja häufig so, dass das Training nicht dazu führt, dass der Bewegungsapparat gesund ist. Im Gegenteil, er ist hoch belastet. Die Athleten trainieren oft am Limit und das hat Folgen für das Verletzungsrisiko. Dies zu minimieren ist ein wichtiges Ziel vieler Forschungsarbeiten und dabei kommen unsere Systeme häufig zum Einsatz.

Frage: Welche unterschiedlichen Ziele verfolgen Ihre Kunden mit der Anschaffung von Diagnostik?

Jessica Berner Egen: Es ist ja hinreichend bekannt, dass eine Physiotherapie-Praxis mit Kassenleistungen alleine wirtschaftlich nur schwer überleben kann. Ein wichtiges Ziel ist es daher, Patienten nach Abschluss des Rezeptes in den Selbstzahlerbereich zu überführen. Das funktioniert vor allem dann, wenn ich schon während der Therapiephase Defizite objektiv aufzeigen kann. Daran lässt sich dann im Anschluss in einem Training auf Selbstzahlerbasis gezielt weiterarbeiten. Diese Möglichkeiten tragen zudem zur Kundenbindung bei. Mit der Diagnostik können Therapeuten im Verlauf von Behandlung und Training Erfolge aufzeigen und bildlich darstellen – das motiviert zu regelmäßiger Aktivität.

Wir hatten ebenfalls schon Einsatzszenarien bei der Bewertung von nötigen Therapieaufwänden und der Angemessenheit von Verordnungen. Auch Physiotherapeuten wollen sich zunehmend als professionelle Gesundheitsanbieter positionieren. Wer sich neu ausrichten und modernisieren möchte, setzt gern auf unsere objektiven Diagnostiksysteme. Ein weiteres Ziel ist die Einrichtung von sogenannten Diagnostik-Profit-Zentren in größeren Gesundheitseinrichtungen mit mehreren Fachärzten und auch Physiotherapeuten unter einem Dach. Von dieser Integration können schließlich alle Beteiligten profitieren.

Team mobee360 auf dem Chiropraktik Kongress Düsseldorf 2021

Christian Egen: Mit der Diagnostik kann sich die Praxis wirtschaftlich besser aufstellen, das positive Verhältnis zu den Patienten weiter verbessern und die Bindung an die Einrichtung auf lange Sicht festigen. Darüber hinaus lassen sich neue Handlungsfelder erschließen, dazu gehören das betriebliche Gesundheitsmanagement und spezifische Angebote für Senioren. So können Einrichtungen aus dem klassischen Einnahmenmodell ausbrechen und neue Wege gehen. Und wenn wir an den Fachkräftemangel in der Physiotherapie denken, gibt es durch die Implementierung von Diagnostiksystemen auch neue Potenziale für die Beschäftigung Mitarbeitender aus anderen Fachbereichen (Sportwissenschaftler, Fitnessökonomen et cetera). Diese Kollegen können zum Beispiel die professionelle Diagnostik in der Praxis durchführen, zur Unterstützung einer aktiv ausgerichteten, evidenzbasierten Physiotherapie. All diese Aspekte gehören zu den wichtigsten Zielen, wenn Einrichtungen sich Diagnostiksysteme anschaffen.

Frage: Die Plattform für digitale Diagnostik deckt bereits ein breites Themenspektrum an gesundheitlichen Screenings ab. Welche Erweiterungen planen Sie und wie tragen diese zur Ganzheitlichkeit Ihrer Lösung bei?

Jessica Berner Egen: Wir arbeiten im Moment grundsätzlich in sechs verschiedenen Themenbereichen, dazu gehören Stressanalyse und -management, Beweglichkeitsanalyse, Mobilität bei Senioren, Körperzusammensetzung und -daten, Haltung und Wirbelsäulenfunktion sowie Körperstabilität und Gleichgewichtsfähigkeit. Bis Anfang 2023 werden wir die Plattform auf acht Aspekte anheben. Neu geplant sind Module zur Stoffwechselanalyse und Performance.

Christian Egen: Der Bedarf dafür ist groß, unsere Kunden geben uns Feedback und äußern Wünsche für neue Module. Die neuen Bereiche integrieren die Atemgasanalyse und das ist eine sehr wichtige Ergänzung für alle, die eine professionelle Ernährungsberatung in Kombination mit Trainingsplanung anbieten wollen. Ein ebenfalls sehr wichtiger Bereich ist die Weiterentwicklung datenschutzkonformer Lösungen, die über eine lokale Infrastruktur hinausgehen. Wir arbeiten daher an einer Onlinelösung, die unseren Kunden einerseits zusätzliche und zeitgemäße Kommunikationswege eröffnet und andererseits den wichtigen Ansprüchen des Datenschutzes bei der Arbeit mit sensiblen Gesundheitsdaten entspricht.

Frage. Die Märkte Therapie, Fitness und Gesundheit wachsen immer weiter zusammen. Wie begegnen Sie diesem Trend?

Jessica Berner Egen: Aufgrund der erwähnten Heterogenität unserer verschiedenen Zielgruppen ist diese Entwicklung für uns keine Herausforderung. Wir haben ja schon seit Jahren Angebote für ein breites Spektrum. Dass die Märkte zusammenwachsen, ist für uns sogar positiv, denn die Nutzungsmöglichkeiten werden dadurch immer größer. Durch den modularen Aufbau können wir zudem sehr individuell auf die Bedürfnisse der jeweiligen Einrichtung eingehen. Wir bekommen mittlerweile auch Anfragen von Mental-Coaches sowie Gesundheits- und Ernährungsberatern mit Spezialisierung, die sich diese ganzheitlichen Auswertungen von ihrem Schwerpunkt ausgehend zu Nutze machen wollen.

Christian Egen: Wir beobachten bei unseren Kunden, dass sie die alten Pfade zunehmend verlassen und neue Wirkungsketten entstehen. Es ist zum Beispiel auch eine Option, dass Physiotherapeuten Diagnostik-Dienstleister für Fachärzte sind oder sich im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements engagieren. Bei all diesen Möglichkeiten können wir unterstützen.

Jessica Berner Egen: Und über alle Bereiche hinweg ist die Verbesserung und Unterstützung der Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten wichtig. Das war unser Wunsch von Anfang an und ist in allen Bereichen ein zentraler Aspekt. Wir können uns von anderen Anbietern gut abgrenzen, denn wir haben verlässliche und wissenschaftlich validierte Systeme in unsere Plattform integriert. So ermöglichen wir seriösen Anbietern ein seriöses Arbeiten.

Seit kurzer Zeit haben wir zudem zwei neue Mitgesellschafter, Dr. Frank Eger und Gaby Fritz, die sich über ihr Unternehmen „PURE Physio Südwest GmbH“ an der SportMed beteiligen. Aufgrund ihrer langjährigen unternehmerischen Erfahrung in der Fitness-, Physio- und Reha-Branche bringen sie für uns nicht nur einen siebenstelligen Investitionsbetrag, sondern auch zahlreiche Kontakte und Synergien mit. Somit haben wir jetzt auch von Eigentümerseite her einen physiotherapeutisch relevanten Einschlag und sind sehr gut für die Zukunft aufgestellt.

Die Fragen stellte Dr. Tanja Boßmann

Jessica Berner Egen

Sie studierte Englisch, Italienisch und Wirtschaft an der Universität des Saarlandes, danach folgte das Studium Wirtschaftsrecht (LL.M.) an der TU Kaiserslautern. Jessica Berner Egen ist Managing Director bei mobee360.

berner_egen@sportmed.eu

Christian Egen

Er studierte Maschinenbau an der RWTH Aachen und ist Technical Director bei mobee360.

egen@sportmed.eu

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